Projekt Beschreibung

schwer

86 km

3 Tage

3620 hm

3250 hm

Den ganzen Tag wandern und Nachts schlafen im Wald: Ihre Trekkingtour durch den nördlichen Hochschwarzwald führte Sven und Patrick durch wilde Bannwälder, abgelegene Schluchten und aussichtsreiche Höhen.
„Tut das jetzt gut“, prustet Sven – und schaufelt sich mit beiden Händen noch eine volle Ladung frisches Quellwasser ins Gesicht. Unterhalb des Bruggerhofs, an einer Wegkreuzung mitten im Bannwald Zweribach, schießt das Quellwasser mit ordentlich Druck in den Brunnentrog. Die Erfrischung kommt genau zur richtigen Zeit: Seit zwölf Stunden sind wir auf den Beinen, die Sonne hatte uns ordentlich eingeheizt. Jetzt spülen wir den Schweiß und Dreck des Tages von den Armen, Beinen und aus den Gesichtern. Und füllen unsere leeren Wasserflaschen. Ganz ohne Eile, denn wir wissen: Es sind ja nur noch wenige Meter zu laufen bis zu unserem Nachtlager.
Früh am Morgen sind wir in Elzach gestartet, unser Plan: Vom nördlichsten Teil des Hochschwarzwalds bis zum Feldberg wandern. Und dann noch weiter, wer weiß . . . Jeden Tag so lange, bis die Beine streiken und übernachten im Wald. Schutzhütten gibt es reichlich im Hochschwarzwald, die genau diesem Zwecke dienen. Es ist ja Sommer: „Da können wir auch gleich auf einer Waldlichtung auf dem Boden schlafen“, hatte Sven am Morgen verkündet. Eine nette Dorfbewohnerin aus Yach nahm uns ein Stück in ihrem klapprigen, nach Hund riechenden Dacia, vom Bahnhof bis zum Wanderparkplatz im Wald mit. So sparen wir ein paar Kilometer bergauf. Unser ungefähres Etappenziel: Der Bannwald am Zweribachfall, noch immer gut 30 Kilometer entfernt von hier.
Kurz nach neun stapfen wir den schmalen Wurzelsteig Richtung Siebenfelsen hinauf: Nachts zuvor hatte es geregnet – endlich, nach wochenlanger Trockenheit. Jetzt weht ein frisches Lüftchen den Berg hinab. Die kleinen Härchen auf den Armen stellen sich auf: Hoffentlich wird es noch wärmer, denke ich. Aber nicht lange, schon nach wenigen Metern auf dem steilen Anstieg wird uns warm, obwohl wir die Rucksäcke möglichst leicht gehalten hatten: Ein wenig Verpflegung, Schlafsack, Isomatte, was Warmes zum Überziehen für die Nacht.
Die Siebenfelsen wirken im Morgendunst mythisch und entrückt. Die meterhoch übereinandergestapelten Granitblöcke sind ein Relikt der letzten Eiszeit. Bizarr anzusehen. „Um die Felsen ranken sich viele Geschichten“, hatte uns die Dorfbewohnerin zum Abschied mitgegeben. Und da der Wald ringsum Belchwald heiße, würden nicht wenige glauben, dass dieser Ort einst eine keltische Kultstätte gewesen sei, die dem Sonnengott „Belenus“ geweiht war. „Manchmal trifft man etwas verwirrte Gestalten in wallenden Gewändern“, lachte die Yacherin zum Abschied.
Heute haben wir Felsen, Wald und dunstiges Morgenlicht ganz für uns. Dicht gewebte Heidelbeerpolster flankieren den Pfad, auf dem feuchten Waldboden sprießen Pfifferlinge und Steinpilze. Es duftet erdig. Waldaroma. Sven wirkt jetzt schon völlig tiefenentspannt. Er pumpt die frische, vom Regen gereinigte Luft tief in die Lungenflügel. Es raschelt im Gehölz, wir sehen nur noch die auf- und abwippenden Hinterteile von drei flüchtenden Rehen zwischen den Stämmen verschwinden.
Am Rohrhardsberg, neben dem Kandel einer der höchsten Berge im Mittleren Schwarzwald, mündet der Steig in einen breiten Forstweg. Gelber Arnika blüht auf den Magerweiden, am Wegrand wachsen raue Ginsterbüsche und knorrige Weidfichten. Die struppigen Hochweiden fallen in Richtung Kostgefäll steil ab, auch sie sind ein Relikt aus alten Zeiten: Wildblumen, Kräuter, Wacholderbüsche, Heidelbeeren, Weidbäume, dazwischen Felsbrocken. Und noch immer kein Mensch weit und breit.
Was sich auch nicht ändert, als sich der Weg dann abwärts ins Simonswäldertal senkt. Aus der breiten Piste wird urplötzlich ein schmaler Steig, den wir so nie und nimmer erwartet hätten: Ein aufregender Pfad windet sich zwischen bemoosten Gneisbrocken über den steilen Felsgrat, den der knapp über 1000 Meter hohe Schultiskopf und der weiter westlich gelegene Höllkopf bilden. „Für den äußersten Rand des Hochschwarzwalds ist das schon ganz schön hoch“, witzelt Sven, als wir am Schultiskopf auf blankem Fels rasten und ein feines Vesper auspacken: Roh geräucherte Bratwürste, ein Stück kräftiger Bergkäse aus Elzach, einen Kanten Bauernbrot, dazu kühles Quellwasser aus der Trinkflasche – so einfach kann Glück sein.
Aber irgendwie hat er ja Recht: Über 700 Meter tief ist das Talsystem der Wilden Gutach stellenweise eingeschnitten, gegenüber überragt der Gipfel des Kandel die Szenerie, weiter in der Ferne liegen die Höhen rund um den Plattenhof – unser grobes Tagesziel für heute: „Ganz schön weit weg“, meint Sven, „da haben wir noch eine ziemliche Strecke vor uns!“ Der Pfad umrundet schroffe Klippen, gelegentlich weicht der schüttere Wald zurück und gibt weite Blicke über das Simonswälder Tal frei.

Der Abstieg vom Schultiskopf hat nahezu alpinen Charakter: Wurzeltreppen, Felsbrocken, steile Rampen, dann wieder federnder Waldboden. Das Gefälle ist wüst: unten im Tal brennen die Oberschenkel von der Anstrengung. Und wir haben noch nicht mal die Hälfte der geplanten Strecke hinter uns: Ehe es dunkel wird, so war ja unser Vorhaben, wollen wir am Zweribachfall ankommen und dort in einer Schutzhütte im Wald übernachten!
Simonswälder Tal bietet durchwachsenen Wanderspaß: Einerseits stapfen wir meist auf netten schmalen Pfaden entlang der Wildgutach und über grüne Matten. Andererseits werden wir allzu oft von Motorradlärm beschallt. Doch talaufwärts wartet eine wahre Offenbarung von Weg. Ein waschechter Bergsteig erklimmt die steil von Gütenbach abfallende Felshalde: Wurzeltreppen, bemooste Blöcke, Spitzkehren, Felsklippen, dazwischen mächtige Baumstämme, dann ragt ein Monstrum von Felsbrocken auf, der Untere Spitze Stein: „Noch nie vorher gehört“, meint Sven und schüttelt den Kopf über diese Wissenslücke, schließlich sind Pfad und Felsen wirklich spektakulär.
Allerdings auch spektakulär anstrengend. Inzwischen ist es später Nachmittag und unsere Bäuche knurren, als uns der schmale Pfad unvermittelt auf einer Lichtung ausspuckt: Die Berghütte direkt vor uns am Steilhang kommt wie gerufen. Hintereck heißt das kleine Häuschen mit Schindeldach und uriger Holzfassade, die Spätzle und der Linseneintopf richten es wieder – eigentlich könnten wir jetzt gleich hier bleiben. Die Verlockung jedenfalls ist groß. Im Hintereck gibt es im zum Hang offenen Keller ein Notlager, das immer und für alle kostenlos zugänglich ist, in den oberen Stockwerken sogar richtige Zimmer mit richtigen Betten.
Aber wir ziehen weiter: Einen Zickzackpfad den Hang hinab, dann wieder ein Stück rauf. Und plötzlich finden wir uns in einem prächtigen Bannwald wieder: Umgestürzte Bäume, von dichten Moospolstern überzogen, liegen kreuz und quer verteilt in der Teichschlucht. Der Pfad schlängelt sich an einer massiven Steilwand entlang und dann immer am Bach hinab ins Wildgutachtal. Golden brechen die Strahlen der Abendsonne durch das Blätterdach. Es wird schon kühler, als wir später am Abend oberhalb des Dorfes Wildgutach anlangen. Jetzt wissen wir: Zu den Zweribachfällen schaffen wir es noch, es sind keine zwei Kilometer mehr!
„Du steigst hier hoch und es ist fast so, als würde der Wald dich verschlucken“, bringt Sven unsere Empfindungen angesichts des dichten Waldpelzes ringsum auf den Punkt. Der Pfad verengt sich zusehends, wird immer steiler, doch dann taucht hinter einer Wegbiegung ein verwittertes Schindeldach auf. Es ist die alte Hofkapelle des Brunehofs, der hier einst in den steilen Halden stand und deren Bewohner der Waldwildnis kaum mehr als ein paar magere Weiden abtrotzen konnten. Mächtige Lesesteinhaufen ringsum zeugen davon, welche Mühsal das Leben einst mit sich brachte. Der Brunehof brannte vor Jahren schon ab, an seiner Stelle befindet sich nun noch eine Grillhütte auf der lauschigen Lichtung.Der idyllische Platz liegt im Bannwald direkt unterhalb der Zweribachwasserfälle, man kann die Wassermassen noch ganz leise rauschen hören. Ein kleines Bächlein plätschert über die Wiese vor der Hütte: „Hier können wir bleiben“, stellt Sven fest. Zwei mächtige Hinterwälderbullen stehen auf der nahen Weide und schauen uns zu. Wie gut es tut, die Schuhe auszuziehen und mit den nackten Fußsohlen über die feuchte Wiese zu laufen!
Die Hütte mit dem staubigen Boden wäre perfekt für eine Übernachtung, doch der Himmel ist wolkenfrei. Und so beschließen wir, unter freiem Himmel zu schlafen. Die Isomatten rollen wir direkt auf dem weichen Gras aus, ein Uhu ruft aus dem Dickicht, direkt über uns blitzen nach und nach in der aufkommenden Dunkelheit die Sterne auf, eingerahmt von den Ästen der mächtige Laubbäume, als wir langsam wegdämmern, sind wir völlig allein: mit den Geräuschen des Waldes, mit dem sachten Wispern des Windes, mit dem Sternenhimmel über uns, der heute so prächtig ist wie selten. Je dunkler es wird, desto mehr zündet das lange vorher für diese Tage angekündigte Sternschnuppenfeuer der Perseiden über uns. Wir hätten keine bessere Nacht erwischen können . . .
Schon Morgen? Ich erinnere mich noch, dass ich ein paar Mal aufwachte während der Nacht – und mich jedes Mal wunderte, weshalb die Sternbilder wieder ein Stück weitergezogen waren. Jetzt schälen sich die dunklen, scharfen Silhoutten der Nadelbäume ringsum langsam aus dem morgendlichen Grau.
Der Wandertag beginnt ähnlich spektakulär, wie er gestern aufhörte: Ein kleines Frühstück mit den Resten von gestern, ein bisschen Bachwasser ins Gesicht. Packen und keine Spuren hinterlassen. Dann stapfen wir los über den wilden, aufregenden Bannwald – erst zu den Zweribachfällen und dann weiter zum Hirschbachfall. Die Halde ist ein undurchdringlich wirkendes Gewirr aus Felsbrocken, umgestürzten Bäumen, Büschen, Farnen, Unterholz – und dazwischen führt ein schmaler Steig steil bergan. Weiter oben, in der Gutacher Halde, entdecken wir kurz darauf einen versteckten Trampelpfad zum Birkfelsen, der weiter bis oberhalb von St. Märgen führt – was für ein Auftakt!
Ab dem Klosterdorf ist erstmal Schluss mit den schmalen Wegen – weniger schön ist die Tour dennoch nicht: Erst Einkehr bei den Landfrauen der Goldenen Krone zu einem späten Frühstück. Dann frisches Brot und Käse beim Bäcker gegenüber kaufen, wir wollen ja nicht verhungern. Schließlich die tollen Fernblicke zwischen Sankt Märgen und dem Thurner genießen. Das Panoramadeck des Hochschwarzwalds mit seinen offenen Höhenzügen und dem Wechsel von Weiden und Wäldern, mit den vielen Höfen und versteckten Weilern ist besonders abwechslungsreich. So vergeht ein halber Tag wie im Fluge. Bis die Fußsohlen brennen. Die kühlen wir am Nachmittag im sprudelnden Wasser der oberen Ravennaschlucht. Hier stoßen wir wieder auf einen schmalen Wanderpfad, der ganz nach unserem Geschmack ist: Der Querweg Freiburg-Bodensee schlängelt sich oberhalb des Höllentals entlang, im Abendlicht ist es besonders schön. Die Sonne kommt von vorn und die warmen Strahlen schmeicheln uns, aber jetzt tun die Füße richtig weh – nach fast 30 Kilometern!
Anders als vorige Nacht unter den Sternen, schlafen wir dieses Mal unter einem schützenden Dach: Gerade, als die letzten goldenen Lichtstrahlen hinter den Bergkuppen verschwinden, stoßen wir auf das kleine Holzhäuschen am Wegrand. Die Tür steht offen, drinnen ein wuchtiger Holztisch und ein Ofen. Ein Besen steht im Eck, als sich der Staub unserer Reinigungsaktion legt, rollen wir die Isomatten auf dem knarzenden Dielenboden aus. Und dann lassen wir uns das Brot und den Käse aus St. Märgen schmecken. „Die Sterne fehlen schon“, stellt Sven fest, als wir in unsere Schlafsäcke schlüpfen. Kurz darauf schnarcht es aus seiner Ecke; draußen verglimmt das Tageslicht, drinnen wird es stockduster: „Hat auch was“, denke ich mir und genieße die kühle Brise, die durch‘s offene Fenster streicht.
„Ach“, meint Sven am nächsten Morgen: „Schöner geht es doch kaum, jetzt sind wir erst zwei Tage unterwegs und es fühlt sich fast so an wie eine ganze Woche Urlaub.“ Wir teilen den letzten Kanten Brot. So langsam wird es Zeit für den Abstieg ins Dreisamtal. Vom Höllental ins Dörfchen Himmelreich. Dort haben wir ja noch was vor: Ein spätes Frühstück und dann wieder raufsteigen über den Hinterwaldkopf Richtung Feldberg. Sven faltet die Wanderkarte zusammen: „Ich glaube“, verkündet er zufrieden grinsend: „Ich glaube, ich weiß schon, wo wir eine Hütte für die nächste Nacht finden . . .“

Startpunkt der Tour:
Elzach

Geeignete Jahreszeit:
Mai – Oktober

Anreise mit dem Auto:
Auf Google Maps ansehen

Autor: 
Gastautor

Tipp:
Den Kuchen der Landfrauen in der Krone in St. Märgen sollte jeder mal probiert haben…

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