Projekt Beschreibung
Seit 2 Wochen bin ich mit Peter zum Klettern verabredet. Seit 2 Wochen scheint die Sonne fast unentwegt auf uns herab. Seit 2 Wochen freu ich mich auf heute.
Heute regnet es. Und zwar so richtig. So um die 30 mm Niederschlag dürfte es heute geben. Das ist mit anderen Worten – ein erbärmliches Sauwetter! Drum sagt Peter auch ab. „Er geht in die Boulderhalle“.
Ich überlege mir meine Alternativen: Auch bouldern? Öde. Aufräumen? Lohnt sich noch nicht. Staubsaugen? Oh, würde sich lohnen, aber keine Lust. Wäsche waschen? Nicht so motiviert.
Todtnauer Klettersteig? Ja, das ist es! Es regnet zwar in Strömen, aber wie heisst es doch so schön? Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung.
Kurzentschlossen pack ich also meine Sachen. 20.000 mm Wassersäule bei 30 mm Regen? Sollte reichen. Klettersteig-Set, Foto alles in Auto und los geht’s!
Auf dem Weg denke ich an vergangene Klettersteigbegehungen in Alpen und komm zu dem Schluss, dass das Sauwetter garnicht mal so verkehrt ist. Das Wetter gibt dem Klettersteig bestimmt noch ein wenig Würze, weil also mit den grossen Klettersteigen der Schweiz, also da kann der Todtnauer Klettersteig ja ganz bestimmt nicht mithalten…
Die Fahrt vergeht im Nu und genauso schnell bin ich startklar. Zum Klettern war ich hier ja schon oft und so finde ich den Einstieg zum Klettersteig problemlos – einfach den roten Pfeilen folgen.
Vom Einstieg geht es rechts eine Rampe hoch. Na dann mal los, denke ich. Gedacht, getan. Auf den ersten Höhenmetern gibt es Griffe und Tritte zur Genüge. So kann das weitergehen. Doch eine senkrechte Wand drückt von links und die Ausgesetztheit nimmt in gleichem Masse zu, wie die Anzahle der Tritte und Griffe abnehmen. Hochkonzentriert suche ich alles ab, aber was wirklich brauchbares zum Festhalten oder Aufstehen finde ich nicht.
Mir kommen wieder die Klettersteige von damals in den Sinn. Gab es da nicht Eisenstifte, Bügel und Leitern? Wo sind diese Hilfsmittel denn hier? Offensichtlich Fehlanzeige. Also wieder Konzentration auf das, was vorhanden ist. Ein paar schmierige Nasse Tritte, ein paar moosige Griffe. Alles nicht so ganz das Wahre. Inzwischen schon etwas aufgeregter als ich es für diesen Klettersteig für möglich gehalten hätte, erscheint mir Staubsaugen plötzlich als einigermassen sinnvoll und tsch-tsch-tsch holt mich eine Serie Wassertropfen, welche von den Fels links über mir heruntertropft in die Gegenwart zurück. „Chinesische Tropfenfolter? Ich muss hier weg“ denke ich und fasse Mut für einen beherzten Schritt… Uff, der mittlere Abschnitt der Rampe wäre geschaft. Von hier ist es dann ein Spaziergang bis zum Ausstieg der Rampe.
Nach einer kurzen Verschnauf- und Orientierungspause überdenke ich die Orientierung nochmals neu: Da ist ein roter Pfeil, welche nach rechts die Klippen hinunter zeigt… „Da lang?! Ist das Ihr Ernst, Herr wer-auch-immer-diesen-Pfeil-dort-angebracht-hat?“ Okay, es verdichten sich Hinweise darauf, dass der Klettersteig garnicht mal so ohne ist. Der Steig führt sehr ausgesetzt links um einen Felsturm herum, rechts geht es – huiiii – ins Leere.
Vibramsohlen sagt man ja nach, sie sind rutschfest und überhaupt die besten Sohlen für Wanderschuhe. Sogesehen, rede ich mir mutmachend ein, sollte das schon gut gehen. Tritte und Griffe sind hier jedenfalls genügend vorhanden. Aber diese Ausgesetztheit! Und die glitschig-nassen Tritte unter meinen Füssen. So ganz wohl fühle ich mich nicht. „Get a Grip, get a Grip, get A Grip“. Der Vibram Werbeslogan wird zu meinem heutigen Klettersteigmantra. Und Eins, Zwei und Drei der Spuk ist vorbei. Nach wenigen Seitschritten ist die ausgesetzte Passage vorbei und auf den nächsten Metern ist Gelegenheit dafür zu danken, dass Vibram das Sohlenversprechen gehalten hat. Die Sohle hat gehalten und ich erkenne erstmalig und ganz klar wie wichtig es doch ist, „das Versprechen zu halten“.
Nach ein paar Schlendermetern kommt auch schon die nächste Herausforderung. Eine Traverse durch eine senkrecht abfallende Felswand. Die Spannung steigt! Schon nach zwei Metern nach rechts fühle ich mich zurück auf die erste Rampe versetzt. Wie soll es hier weitergehen? Mich ans Stahlseil zu klammern und mit den Füssen in die glatte Wand zu stehen, erachte ich als keine günstige Option. Zwar haben die Sohlen vorhin gehalten, aber man sollte sein Glück ja auch nicht unnötig herausfordern. Wie ich so ans Wäschewaschen denke gibt sich rechts unter mir der Blick auf ein schmales Felsband frei. So muss ich zunächst absteigen um später wieder weiter aufzusteigen zu können. „Ein philosopher Moment am Klettersteig“ denke ich.
Zufrieden, nass und entspannt geht es nun wieder zurück zum Auto. Schön war’s! Und weitaus spannender als erwartet.
Am Ende der Traverse gibt es die Wahl. Weiter rechts durch die Felswand oder links, durchs Gehgelände.
Da meine Erwartungen bis hierhin bereits mehrfach übertroffen worden und es immer noch regnet entscheide ich mich für den leichten Aufstieg aufs Plateu wo sich vor mir, „el Finale Grande“, die Seilbrücke aufbaut. „Komm näher“ scheint die Seilbrücke sirenengleich zu flüstern. Widerstand zwecklos denke ich, hänge meine Karabiner in die Seilführung ein und setze vorsichtig den ersten Fuss aufs Drahtseil. Dann den zweiten. Es hält. Es wackelt zwar, aber es hält. So balanciere ich mit gefühlt 200 Metern Luft unter den Füssen Schritt für Schritt über die ca. 10 Meter lange Brücke. Bei gutem Wetter würden jetzt die Kletterer aus dem Klettergarten unter einem winzig klein erscheinen. Heute sehe ich nur die Regentropfen in die Tiefe fallen. Das absolute Highlight der Tour.
Facts:
Dauer: ca. 45 Min
Schwierigkeit: B/C (mittel)
Für Anfänger geeignet?: ja
Startpunkt der Tour:
Gute Parkmöglichkeiten bietet sich gegenüber dem städtischen Schwimmbad, direkt an der B 317. Über eine kleine Holzbrücke Richtung Schwimmbad gehen und hinter dem Hotel Waldeck auf einem schmalen Pfad zum Felsen.
Anreise mit dem Auto:
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